Kapitel 6

  50 Jahre Latte (1928 - 1937)

 

Bei der nächsten Sintflut wird Gott nicht Wasser, sondern Papier verwenden

.Romain Gary (8.5.1914 - 2.12.1980) französischer Schriftsteller und Regisseur

 

 

 

 

Das 1. von 6 Bildern „Der erste Schiffbauer“ zur Theateraufführung der Schiffbauer Latte  „Wann und wo in Schiffbau und Schiffahrt“, eine Schau in Mimik und Musik (Quelle Latte)

Was sonst noch so in diesem Jahr 1928 geschah

 Weltgeschichte

 In Italien schafft Mussolini das allgemeine Wahlrecht ab.
Leo Trotzki wird von Stalin nach Kasachstan verbannt.

 

 Deutsche Geschichte

 Hermann Müller wird neuer Reichskanzler (bis 1930).
Der seit 1920 amtierende Reichswehrminister Otto Geßler stürzt über private Finanzgeschäfte, die mit Geheimetats der Reichswehr verbürgt oder gar bezahlt wurden.
Der Medien-Multi Alfred Hugenberg wird Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei.


Technikgeschichte

BREMEN und EUROPA laufen vom Stapel (15. und 16.8.).

Der Flughafen Berlin-Tempelhof wird fertig gestellt.

Köhn, von Hünefeld u. Fritzmaurice schaffen den Atlantikflug in Ost-West-Richtung

Das Transistorprinzip wird von Julius Lilienfeld erfunden.
Berliner Funkausstellung zeigt den Prototyp eines Fernsehempfängers.

Telegraphie-Verbindung zwischen Köln und Buenos Aires.
Der zusammenlegbare Regenschirm "Knirps" wird von Hans Haupt erfunden.
Das Acrylglas wird erfunden.
Alexander Fleming  entdeckt das Penicillin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dies ist das Umschlagsbild der Lattenchronik zum 50. Ordensfest (Quelle Latte)

 

 

6.1 Die Latte feiert 1928 das 50. Ordensfest [3]

 Mit einem riesigen Aufwand hat die Latte das 50. Ordensfest vorbereitet und durchgeführt. Es fand nicht nur die Aufmerksamkeit der Tagespresse, es wurde auch in [3] angemessen gewürdigt, daher stammt auch das folgende Programm, das gekürzt wiedergegeben wird. Neben Märschen und Overtüren (gespielt und gesungen vom latteeigenen Chor und Orchester) gab es eine Festrede und ein Theaterstück in sechs Bildern.


 Festvorstellung

 anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Schiffbauer Latte an der Technischen Hochschule zu Berlin am 26. Februar 1928 um 15 Uhr im Renaissance-Theater, Charlottenburg, Hardenbergstraße 6.

 

Festrede: Wirkl. Geh. Oberbaurat a. D. G. Brinkmann (Mitbegründer der Latte)

 

Rudolf Opelt, Ordensmeister der Latte: Ehrung der im Weltkrieg gefallenen Lattenbrüder,

 

Wann und wo in Schiffbau und Schiffahrt [3]

 Eine Schau in Mimik und Musik

 Szenische Leitung: Herbert Walter (Renaissance-Theater)

 Muskalische Leitung: Hermann Woermann (Latte)

 Entwurf und Ausführung der Bühnenbilder: Karl Vüller

 Gemeinsames Lied: Deutschland, Deutschland über alles

 ***

 Der Geschwaderchor bestand aus 32 Lattenbrüdern und die Geschwaderkapelle betand aus 20 Lattenbrüdern und wurde durch 5 auswärtigeMitglieder verstärkt.

 Die Kostüme und Requisiten wurden von der Generalverwaltung der Staatstheater und  vom Institut für Meereskunde freundlich zur Verfügung gestellt

 Den Asbest für die Kulissen stellten die  Calmon Asbest- und Gummiwerke, Hamburg.

 Postkarten mit Photografien der Bühnenbilder sind nach Schluß der Vorstellung  im Foyer zu kaufen

 

 

 

 

 

 

Das 2. von 6 Bildern,  Piraten (Quelle Latte)

 

6.1.1  Die Latte zählt 150 Studenten als Mitglieder (1928)

Die Latte, gesund im Kern, blickt heute (1928, Anmerkung der Verfasser) auf 50 Jahre ihres Bestehens zurück. Sie hat schwere Stürme durchmachen müssen, aber immer wieder hat die ihr von jeher innewohnende, in den besonderen Verhältnissen wurzelnde Kraft alle Angriffe überwunden. Vieles hat sich im Laufe der Zeiten geändert. Während vor 50 Jahren der fleißige Student sich nur um sein Fachstudium kümmerte und das viele Wertvolle, das andere Fächer und das Leben in der Großstadt bieten können, unbeachtet ließ, gewiss nicht der richtige Zustand, lenkt heute die seit der Staatsumwälzung in die Reihen der Studenten getragene Politik und die heute Mode gewordene Vorliebe für wirtschaftliche Lehrfächer zu stark von der schwierigeren Ingenieurarbeit ab.

 

Ausländer sind seit dem Kriege in vermehrter Zahl an die Hochschule gekommen und, soweit sie in die Latte passten, bereitwillig aufgenommen, so deutschstämmige aus Österreich, aus dem Sudeten- und vor allem aus dem Baltenlande, dessen hoch gewachsene Söhne sich nicht nur durch wissenschaftliche Leistungen, sondern auch durch Arbeiten für die Latte hervorgetan haben.

 

Heute (1928, Anmerkung der Verfasser) bildet die Latte, die etwa 150 Köpfe stark in jedem Frühjahr in althergebrachter Weise ihr Ordensfest feiert, im Sommer die einen ganzen Tag ausfüllende Lattenspritze und  zu Beginn des neuen Studienjahres ihre Erkennungskneipe veranstaltet, in der Studentenschaft anerkanntermaßen den stärksten Block, und in keinem Fache treten Lehrer und Schüler sich so nahe wie im Schiffbau. Was die Latte geworden ist, verdankt sie der Tatkraft ihrer Führer und der Beihilfe ihrer „Alten Herrn“, wobei die Mitarbeit des Lehrkörpers eine fachgemäße Verwendung der vorhandenen Mittel sichert. Es steht zu hoffen, dass dieses Band zwischen jungen und alten Lattenbrüdern beständig erstarken und das Rückgrat der Latte steifen wird. Wesentlich beitragen dazu Geschenke der Alten an entbehrlichen Lehrmitteln, wie Kurvenkasten, Reißzeugen, Lehr- und Handbüchern, an denen in der Latte immer großer Mangel herrscht.

 

Aufgabe der Führer im Besonderen aber ist es, über die große Menge hinweg das Ziel einer gesunden Entwicklung der Latte unverrückbar im Auge zu behalten, das Ziel, den jungen Lattenbrüdern alles das zu geben, was die Lehrer nicht geben können. Diese Entwicklung wird heute begünstigt durch den Besitz an Gütern, über welche die Latte jetzt verfügt, sie wird erschwert durch die räumliche Trennung der auf weit auseinander liegenden Sälen untergebrachten Mitglieder. Aufgabe der Führer ist es, den Nachwuchs für die Latte zu erwärmen und  zu gewinnen. Auch für sie gilt das Wort: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen“!

 

Die Zeit läuft schnell. Lattenbrüder kommen und gehen. Die Lehrer wechseln. Aber die richtig geleitete Latte wird trotz allen Anfechtungen, trotz aller Stürme, die sie umbrausen, fortbestehen zum Besten des deutschen Schiffbaues, zum Wohle unseres Vaterlandes.

 

Das waren die Worte dieser Zeit - 1928, dem Vorabend des Nationalsozialismus in Deutschland. Bis hierher wurden die Texte aus der „Festschrift zum 50. Ordensfest der Schiffbauer Latte“ weitgehend unverändert übernommen. Wie genau die Latte zu dem erstarkenden nationalsozialistischen Gedankengut stand und sich im Zuge der Machtergreifung verhielt, lässt sich aus dem der Latte vorliegenden Material nicht ersehen. In den wenigen durch den Krieg nicht vernichteten Unterlagen ist zu entnehmen, dass die Latte ihre Aktivitäten weiterführte, mangels Satzung und schriftlicher Regeln jedoch nicht von der Gleichschaltung erfasst werden konnte.

 

 

 

 

 

 

Das 3. von 6 Bildern des Theaterstücks; Hie guet Brandenburg allwege (Quelle Latte)

6. 1.2  Einige Grußworte zum 50 Jubiläum [1]

Grußworte kamen u. a. von:

G. Claussen, Generaldirektor der Deschimag, Tecklenborg-Werft, Geestemünde

Prof. Hans Dieckhoff, Direktor der Woermann- und Deutsch-Ost-Afrika-Linie

Dipl.-Ing. W. E. Dörr, Direktor der Luftschiffbau Zeppelin, Friedrichshafen

Otto Lienau, Professor an der Technischen Hochschule Danzig

Dr.-Ing. ehr. Max Oertz, Hamburg

Dr.-Ing. ehr. Johann Schütte, Prof. an der Technischen Hochschule Berlin

Ernst Zetzmann, Schiffbaudirektor der Hamburg-Amerika-Linie

 

Wie die Latte zur Konstruktion von Schiffen ein notwendiges Mittel ist und bleiben wird, so möge auch unsere alte, gute „Latte“, der wir alle durch die Technische Hochschule gegangenen Schiffbauer von Herzen jederzeit gern gedenken, als Bindemittel einer guten Kameradschaft weiter blühen und gedeihen.

 

Grußwort von Dr.-Ing. ehrenhalber. L. Schwarz (Lattengründer und spätere Direktor der Vulkan-Werke)

 Die Latte gleicht dem Veilchen, das im Verborgenen blüht. Sie wurde aus regem Studienfleiß und frischem Kameradschaftssinn zu einer Zeit geboren, als der deutsche Eisenschiffbau noch in den Kinderschuhen steckte und von seinem älteren und größeren englischen Bruder geleitet wurde. Dass dieser Lattengeist sich bei dem Aufstieg des deutschen Schiffbaus treu erhalten hat, gibt der Hoffnung Raum, dass die deutsche Schiffbauindustrie in dem internationalen Wettbewerb auch ferner ihren Mann stellen wird.

 

Tjard Schwarz (Mitbegründer der Latte, Geh. Marinebaurat)

Diese Chronik (Festschrift zum 50. Ordensfest der Schiffbauer Latte) ist aus Beiträgen einer Reihe von alten Lattenbrüdern aus verschiedenen Jahrzehnten zusammengeschrieben. Niemand von den Beteiligten ist im Zweifel darüber, dass nicht alles für die Nachwelt Wichtige voll erfasst ist, und alle sind sich bewusst, dass Irrtümer unterlaufen sein können. Deshalb ergeht an alle alten Lattenbrüder die Bitte, nicht bloß Kritik zu üben und das mangelnde Geschick der Geschichtsschreiber zu tadeln, sondern Fehler, die von ihnen bemerkt sind, aufzudecken und wünschenswerte Ergänzungen mitzuteilen. (Bis hierher wird dieses maritime Lesebuch von der Lattenchronik von 1928 begeitet.)

Tjard Schwarz  (1855 - 1931) war  Mitbegründer der Latte

Tjard Schwarz ist 1855 in Stettin geboren und studierte nach kurzer praktischer Tätigkeit auf den Stettiner Vulcan-Werken Schiffbau an der Gewerbe-Akademie in Berlin. Hier war er 1878 Mitbegründer der Latte. 1879 entstand aus der Gewerbe-Akademie und der Bauakademie die Technische Hochschule Charlottenburg, an der er 1882 die Diplom-Prüfung ablegte. Als Ingenieur-Aspirant trat er in die Kaiserliche Marine auf der Werft in Danzig ein, arbeitete als Marine-Baumeister auf der Kaiserlichen Werft - Kiel und anschließend längere Zeit unter Geheimrat Dietrich in der Konstruktions-Abteilung der Admiralität. Danach war er abwechselnd tätig auf der Werft - Kiel, bei der Bau-Beaufsichtigung der Schichau-Werft in Elbing und auf der Kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven. 

Danach folgten neben Konstruktionsarbeiten im Reichsmarineamt Vorarbeiten für die zweite Flottenvorlage. Mit Prof. E. von Halle wurde er mit einer umfangreichen Untersuchung des internationalen Schiffbaues betraut, welche ihm Gelegenheit gab, einen tiefen Einblick in den Schiffbau Deutschlands und des Auslands sowie seiner Hilfs-Industrien zu tun. In diesem Zusammenhange weilte er auf längeren Studienreisen in Holland, Frankreich, England und den Vereinigten Staaten. Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden im 1902 erschienenen Werk „Die Schiffbau-Industrie in Deutschland und im Auslande“ dokumentiert.

In seine Zeit als Schiffbau-Direktor der Kaiserlichen Werft - Kiel fallen die Neubauten des Großen Kreuzers „Blücher“ und des Linienschiffes „Kaiser“. Der Ausbau der Werften Kiel und Wilhelmshaven ist zum beträchtlichen Teil auf Vorschläge von Tjard Schwarz zurückzuführen. Mit besonderer Energie setzte er sich für die Verwendung großer Schwimmdocks ein. Tjard Schwarz war auch Mitgründer und engagiertes Mitglied der Schiffbautechnischen Gesellschaft, vor deren Auditorium er mehrere Vorträge hielt.

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Zitat

Denkt auch daran, dass die Techniker es sind, die erst wahre Demokratie möglich machen. Denn sie erleichtern nicht nur des Menschen Tagewerk, sondern machen auch die Werke der feinsten Denker und Künstler, deren Genuss noch vor kurzem ein Privileg bevorzugter Klassen war, jedem zugänglich.

 Albert Einstein (1879-1955), deutsch.- amerikanischer Physiker (Relativitätstheorie), erhielt 1921 den Nobelpreis

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tjard  Schwarz, einer der Lattengründer (Quelle STG)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das 5. von 6 Bildern „Der erste Tag auf der Werft“ (Quelle Latte)

6.2 Die Technische Hochschule Berlin der 20ger und 30ger Jahre [2, 3]

Das wirtschaftliche und politische Umfeld der 20ger Jahre bewirkte auch an der Technischen Hochschule eine Radikalisierung der Studentenschaft. Die Wende wurde durch den Verzicht aller preußischen Hochschulen und Universitäten auf die Selbstverwaltungsrechte eingeleitet, die in der verfassten Studentenschaft von 1920 festgeschrieben waren. Danach konnte der Nationalsozialistische Studentenbund (NSDStB) erste Erfolge bei den Wahlen der Studentenschaften erreichen und im Wintersemester 1930/31 erzielten sie an der TH ein Wahlergebnis von 61,7 %. Die spätere politische Gleichschaltung und Strukturänderung verbunden mit der Entlassung und Vertreibung jüdischer und politisch unerwünschter Wissenschaftler gestaltete sich daher auch ohne großen Widerstand. Das Führerprinzip setzte sich durch und Rektoren und Dekane wurden seit 1934 nicht mehr gewählt, sondern ernannt. Senats- und Fakultätsversammlungen hatten nur noch beratende Funktionen. Die neu eingeführte „Dozentenschaft“ und „Studentenschaft“ entstanden als neue Gliederungen der Hochschule auf dem Weg zur Gleichschaltung.

 

6.2.1 Sinkende Studentenzahlen

Die seit 1931 sinkenden Studentenzahlen der Ingenieurwissenschaften behinderte den Ausbau der Rüstung. Fehler in der Hochschulausbildung aber auch in der Lehrlingsausbildung wirken sich erst nach drei bis fünf Jahren aus und es dauert ebenso lange, bis Änderungen greifen. Bis 1935 wurden fast alle jüdischen und politisch unerwünschten Studenten, Professoren und Dozenten aus der Hochschule mit verschiedenen Maßnahmen hinausgedrängt. Mit 94 Hochschullehrern und Assistenten gingen der Hochschule fast ein Viertel der Wissenschafter  verloren. Bei den unerwünschten Studenten waren es rund 6 % der Gesamtstudentenschaft, die bis 1938 hinausgedrängt wurden.

 

Das Hauptgebäude der Hochschule wurde bautechnisch in die neu geschaffene Ost-West-Achse einbezogen. Dafür wurden die alten mächtigen Linden der Allee abgehackt und junge gepflanzt, um eine freie Sicht auf das repräsentative Hauptgebäude zu erreichen. Der Vorgarten mit Auffahrt wurde beseitigt, stattdessen wurde der gesamte Vorplatz mit großen Platten belegt und die Freitreppe wurde repräsentativer gestaltet.

 

6.2.2 Wehrtechnische Fakultät [3]

 1937 nahm die als „Fakultät für Allgemeine Technologie“ 1935 geplante „Wehrtechnische Fakultät“ ihre Arbeit mit 8 ordentlichen Professoren und 15 Dozenten auf. Bis 1939 waren insgesamt 900 Planstellen für 6 Institute in der Franklinstrasse vorgesehen. Die hier geleistete Arbeit ließ sich schwer beurteilen, denn die  Promotionen und 3 Habilitationen wurden zum Teil als geheim eingestuf. Später sollte im Grunewald auf beiden Seiten der Heerstrasse die „Reichsuniversität Adolf Hitler“ entstehen, hier sollte auch die Technische Hochschule und die Wehrtechnische Fakultät integriert werden. Wie bei vielen der Bauprojekte im 3. Reich blieb die Realisierung hinter dem Plan zurück und wurde im Krieg unter Trümmern begraben.

 

 

 

 

 

 

 

Technische Hochschule Charlottenburg (Quelle TUB)

 

 

 

6.3 Lehrer die in diesem Zeitraum begannen (1928 bis 1937) [4, 6]

1928-52        Horn, F. (Dr.-Ing., Dr.-Ing. e. h., o. Prof. Leitung der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffahrt, Berlin, silberne und goldene Denkmünze der STG) Theorie des Schiffes

1928-45        Schnadel, G.  (Dr.-Ing. Vorsitz STG, Vorstand GL) Statik der Schiffe, Schiffselemente

1936-38        Weinblum, G.  (Dr.-Ing. apl. Professor,  Dr.-Ing. e. h., 1957 silberne und 1967 goldene Denkmünze STG) Schiffstheorie

1937-69        Pflaum, W. (Dr.-Ing., 1951-1952 Rektor der TUB, 1968 silberne Denkmünze der STG, 1976  Bundesverdienstkreuz, 1985 Ehrensenator der TU-Berlin) Schiffsmotoren

 

 Fritz Horn (1880 – 1972) [4]

Horn (1880 - 1972) aus Elbing hatte an der Berliner TH Schiffbau studiert (Diplom 1903) und hier 1910 promoviert. Mit seiner Dissertation “Die dynamischen Wirkungen der Wellenbewegung auf die Längsbeanspruchung des Schiffskörpers” war er noch einer der ersten Doktor-Ingenieure im Schiffbau.  Er widmete sich von 1903 bis 1925 einer längeren Industrietätigkeit auf Werften in Kiel, Danzig und Hamburg, meist in Entwicklungsaufgaben. Ab 1925  leitete er die Abteilung Schiffbau der VWS Berlin. Im Jahre 1928 nahm Horn den Ruf an die TH auf den Lehrstuhl für Theorie des Schiffes an, den man durch Abtrennung vom Schiffsentwurf neu geschaffen hatte. Hier setzte Horn seine grundlegenden Forschungen in vielen Zweigen der Schiffstheorie fort und baute in seinem Fach eine vorbildliche, systembildende Lehre auf. Zu den wichtigsten Beiträgen, welche die Schiffstheorie Horn verdankt, gehören:

 

Theorie der Frahmschen Schlingertanks zur Rollstabilisierung von Schiffen

Weiterführung der Propellerentwurfsmethodik nach der Tragflügeltheorie von Prandtl und Betz

Präzisierung der Aufteilung des Schiffswiderstandes

Grundlagen der Theorie der Wechselwirkung zwischen Schiffsrumpf und Propeller

Beiträge zur Theorie von Düsenpropellern

Elastisches Schwingungsverhalten von Schiffen

Dynamisches Verhalten des Schiffes im Seegang

Kräfte am manövrierenden Schiff

 

Horn hatte für komplexe physikalische Phänomene oft einfache, argumentativ gut untermauerte, theoretische Erklärungen. Viele Fragen der Schiffstheorie, die Euler schon aufgeworfen und mit den Mitteln seiner Zeit behandelt hatte, fanden in dieser Phase mit Hilfe moderner Erkenntnisse und Methoden eine abschließende, physikalisch gesicherte Antwort. Horns Beiträge zu dieser Entwicklung haben auch international in der Wissenschaft und in der Praxis des Schiffbaus hohe Anerkennung gefunden. Über die fachliche Dimension hinaus war Horn seinen Schülern, Mitarbeitern und Kollegen in seiner bescheidenen, zurückhaltenden, hilfsbereiten Art stets auch ein menschliches Vorbild. (Auszug aus dem Beitrag „Forschung -  Erfolge der Wissenschaft“ von Prof. em. Dr.-Ing. Horst Nowacki)

 

Georg Schnadel (1891 - 1980) [4]

Georg Schnadel, geboren 1891 bei Kempten, begann  1912 ein Maschinenbau Studium an der TH München. Es wurde unterbrochen durch seine Teilnahme am 1. Weltkrieg von Beginn bis zum Ende. Danach setzte Schnadel seine vor dem Kriege in München begonnenen Studien in der Schiffbauabteilung der TH Danzig fort. Nach einigen Jahren auf Werften (auf der Danziger Werft unter  Prof. Horn) und in der Industrie kam er als Assistent an die Technische Hochschule Danzig zurück. Hier promovierte er undnach seiner Habilitation erhielt er einen Lehrauftrag für höhere Statik des Schiffes.

 

1928 wurde er Ordinarius für Statik der Schiffe und für Schiffselemente an der Technischen Hochschule Berlin. Zehn Jahre später 1938 wurde er neben seiner Hochschultätigkeit in Berlin Vorstandmitglied des Germanischen Lloyds, weitere vier Jahre danach wurde er Vorsitzender der STG, die beide  in Berlin ihren Sitz hatte. In den schwierigen Jahren unmittelbar nach Kriegsende hat sich Schnadel ganz besondere Verdienste erworben. Er war vom Juni - November 1945 Vorsitzender des „Arbeitsausschusses zur Vorbereitung zur Wiedereröffnung der Technischen Hochschule“. Dann siedelte er nach Hamburg über und beteiligte sich am Aufbau des GL. Nach der Gründung des Instituts für Schiffbau an der Universität in Hamburg hat er den Lehrstuhl für Statik der Schiffe übernommen.

 

Zur Ermittlung der wirklichen Verhältnisse eines Schiffes im Seegang wurde unter seiner Leitung zusammen mit Professor Horn u. a.  die Hochseemeßfahrt des Hapag-Schiffes SAN FRANCISCO 1934 durchgeführt. Erstmals wurden bei starkem Seegang die Wellenhöhe durch stereometrische Fotografie aus den Masten, die Wellenkontur am Schiff, die vom Wasser ausgeübten Drücke auf den Schiffsboden, die Durchbiegungen und die Dehnungen am Schiff selbst, sowie dessen Schwingungsverhalten koordiniert gemessen. Das Ergebnis war wohl der bedeutendste deutsche Beitrag zur Entwicklung der modernen Schiffstheorie überhaupt. Die Berichte dieser Meßfahrt füllen den größten Teil des STG-Jahrbuches 1936.

 

Walter Pflaum (1896 - 1989) [4]

Pflaum wurde am 4. Januar 1896 in Kroschnitz/Posen geboren. Nach der Teilnahme am 1. Weltkrieg, aus dem er schwer verwundet zurückkehrte, studierte er Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Danzig. Das Studium schloss er 1921 mit Auszeichnung ab, sammelte erste praktische Erfahrungen mit Dieselmotoren auf der Danziger Werft und ging als Betriebsleiter zum Maschinenlaboratorium der TH Danzig. Nach der Promotion  zum Dr.-Ingenieur arbeitete er von 1927 - 1933 im Reichswehrministeriums in Berlin. Pflaum habilitierte  sich in dieser Zeit an der TH Berlin-Charlottenburg und  wurde 1933 Leiter der Versuchsabteilung bei der MAN Augsburg.

1937 erhielt einen Ruf als Ordinarius für Schiffsmotoren an die TH Berlin-Charlottenburg. 1946 übertrug man ihm das gesamte Fachgebiet Verbrennungskraftmaschinen und von 1948 bis 1950 wurde er Dekan der Fakultät Maschinenbau. 1950-1951 wurde er  Rektor der TU Berlin. 1956 gründete er dann sein Institut für Verbrennungskraftmaschinen, in dem einer der ersten Dieselmotoren der Welt, ein Geschenk der MAN, für die Studenten verfügbar war. Walter Pflaum wurde 1964 emeritiert, er behielt sein Lehramt aber bis 1966, bis man für ihn einen Nachfolger gefunden hatte. Einen Schwerpunkt seines wissenschaftlichen Lebenswerks bildete der aufgeladene Dieselmotor, wobei er sich früh unter anderem mit den Problemen der Schwerölverbrennung und der Geräuschemission beschäftigte. Auch hat er sich in Lehre und Forschung der Gasturbine angenommen.

Pflaum wurde in Würdigung seiner Erfahrungen und Verdienste zum Mitglied des Wissenschaftsrates der Bundesrepublik Deutschland berufen, dem er bis 1964 angehörte. 1976 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen, und als weitere Würdigung seiner Leistungen wurde er 1986 anlässlich seines 90. Geburtstages feierlich zum Ehrensenator der Technischen Universität Berlin ernannt. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Verbrennungskraftmaschinen für Schiffe und seiner darüber vor der STG gehaltenen Vorträge verlieh ihm die STG 1968 die Silberne Denkmünze.

 

Georg Weinblum (1897 - 1974) [4]

Georg Weinblum studierte Schiffbau zunächst in Sankt Petersburg und später in Danzig, wo er auch 1923 sein Studium als Diplom-Ingenieur abschloss. Anschließend war er bis 1929 Assistent für Schiffstheorie und Entwurf an der Technischen Hochschule Danzig. Dort promoviert er 1929 zum Dr.-Ing. Danach war er in der Preußischen Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau,  der späteren VWS tätig. Gleichzeitig lehrte er an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg zunächst als Privatdozent, später als  außerplanmäßiger Professor Schiffstheorie. Ab 1938 war er Forschungsleiter und Direktor bei der Firma Sachsenberg AG in Dessau - Roßlau bis zu seiner  Berufung als Ordinarius an die Technische Hochschule Danzig 1942.

 

Nach dem  Krieg arbeitete er zunächst für die Admiralität in England, dann von 1948 bis 1952 am David Taylor Model Basin in Washington, USA. 1952 wurde er als erster Direktor des Instituts für Schiffbau an die Universität Hamburg berufen, gleichzeitig als Honorarprofessor an die Technische Hochschule Hannover. Als international anerkannter 'Grandseigneur' der Schiffbauforschung wirkte er hier über seine Emeritierung im Jahre 1962 hinaus bis zu seinem Tode am 4. April 1974.

 

Seine bedeutendsten Arbeiten auf dem Gebiet der Schiffstheorie betrafen den Wellenwiderstand, das  Seeverhalten und das Manövrieren des Schiffes sowie das Tragflügelboot. Stets versuchte er, aus  der Theorie Folgerungen für den Schiffsentwurf abzuleiten, denn nach seinen Worten ist nichts  so praktisch wie eine gute Theorie.

 

Nach ihm ist die „Georg Weinblum-Stiftung“ benannt, die 1978 in Deutschland und in den USA in Erinnerung an den bekannten Schiffbauforscher gegründet wurde. Zu seinem Gedenken hält jährlich ein renommierter Schiffshydrodynamiker eine Vorlesung, um im Sinne Weinblums die internationale Zusammenarbeit zu fördern.

6.4 Das Maritime Umfeld

6.4.1 Gründungsjahre von Reedereien 1928 - 1937 [5]

1928 Reederei Both & Co., Glückstadt

1928 Esso Tankschiff Reederei, Gesellschaft mit

mit beschränkter Haftung, Hamburg

1928 Mathies Reederei Kommanditgesellschaft, Hamburg

1929 Hendrik Fisser Aktiengesellschaft, Emden

1929 Warnholtz, Schmidt & Co., Hamburg

1930 Reederei Richard Schröder, Hamburg

1930 W. Traber & Co., Hamburg

1931 "Orion" Schiffahrts-Gesellschaft Reith & Co., Hamburg

931 Reunert & Co. mbH, Hamburg

1931 Arnold Thysenius, Bremen

1933 Andreas J. Zachariassen, Hamburg

1935 Atlas Levante-Linie

Aktiengesellschaft, Bremen

1935 Erste Deutsche Walfang Gesellschaft

mbH., Hamburg

1935 Förde-Reederei G.m.b.H., Flensburg

1935 Reederei Wendenhof G.m.b.H.,   Lübeck

1935 Jonny Wesch, Hamburg-Neuenfelde

1936 Werner Peters, Hamburg

6.4.2. Gründungsjahre von Werften  1928-1937 [5]

1928 KrögerWerft GmbH, Rendsburg

1930 Howaldtswerke Hamburg AG      

1932 J eetzel- Werft, Hitzacker

1932 Schiffswerft GermerSheim GmbH,

Duisburg

1933 Friedrich Dodegge, Geversdorf

1933 Karl Fiebig, Berlin

1933 Scheel & Jöhnk, Hamburg

1936 Büsumer Werft GmbH, Büsum

1936 Helmut Wulf, Wilhelmshaven

 

Die Howaldtswerke Hamburg AG

entstanden  aus dem größten Teil des Hamburger Vulkans und der in Konkurs gegangenen  Werft Janssen und Schmilinsky.

 


6.4.3 Handelsschiffbau und -schiffahrt zwischen den Weltkriegen [10]

E. Strohbusch

Dieser Beitrag wurde von Prof. Strohbusch 1974 zum 75. Jubiläum der STG geschrieben und gekürzt übernommen.

Als nach dem 1. Weltkrieg die Waffen schwiegen, war die Handelsflotte auf die Hälfte des Vorkriegsstandes von 3.968 Schiffen mit rund 5 Mio. BRT geschrumpft. Nach den  vorgeschriebenen Ablieferungen an die Alliierten waren es dann nur noch rund 0,5 Mio. BRT.

 

Fahrgastschiffe

Der NDL ließ die bei der Schichau - Werft in Danzig angefangene COLUMBUS fertig bauen und die Hamburg-Süd (HSDG) kaufte die abgelieferte CAP POLONIO zurück. Aus der ehemaligen DEUTSCHLAND, die für die Hapag vor dem Krieg zum Kreuzfahrtschiff umgebaut wurde, entstand nach einem weiteren Umbau die HANSA. Aus Mangel an Heizern wurden die Schiffe auf Ölfeuerung umgestellt. 1928 wurden für den  NDL zwei Schnelldampfer abgeliefert, die BREMEN (90.000 PS, 26,5 Knoten) von der AG Weser und die EUROPA von Blohm & Voss, die beide das Blaue Band errangen. Diese Schiffe wie auch die populäre 1927 für die HSDG abgelieferte CAP ARCONA (24.000 PS, 20 Knoten) wurden von Getriebeturbinen angetrieben und fuhren überwiegend im Liniendienst. Die KDF-Schiffe wie z. B. WILHELM GUSTLOFF  waren für Kreuzfahrten mit Platz für viele Passagiere vorgesehen. Sie wurden zum Teil wie auch die MONTE-Klasse der HSDG von Dieselmotoren angetrieben. Die zwischen 1935 bis 1938 gebauten Kombischiffe SCHARNHORST, POTSDAM und PATRIA mit Geschwindigkeiten um 20 Knoten hatten unterschiedliche  turbo- und dieselelektrische Antriebsanlagen. Sie stellten einen interessanten Großversuch dar, weil sie ähnliche Abmessungen hatten. Auf der POTSDAM wurde der Dampf von einem neuartigen von Siemens und B&V entwickeltem Benson-Kessel erzeugt.

 

Frachter

Die Tragfähigkeit der Frachter nahm zwischen den beiden Kriegen kaum zu, sie betrug auch bei den größten Schiffen höchstens 12.000 t. Ladekühlräume wurden wie auf der VIGO für die Nord-Süd Liniendienste bereits teilweise vorgesehen. Das Ladegeschirr war, wie schon früher, zahlenmäßig reichlich, nämlich bis zu 25 Bäume. Die Aufhängung an Pfosten wurde beliebt, die Handhabung war doch die alte.  Die Leichtgutbäume hatten überwiegend 5 t Nutzlast, Schwergutbäume meist 25 oder 30 t, doch gab es 1930 schon Schwergutbäume mit einer Nutzlast von 125 t. Bei einzelnen Frachtern stieg die Geschwindigkeit schon bis auf 15 oder 16 kn. Die Antriebsanlagen waren im besprochenen Zeitabschnitt sehr mannigfaltig und der Dieselmotor setzte sich durch. Beim Motorantrieb war es anfangs der 20er-Jahre schiffbaulich von Bedeutung, daß die geringen verfügbaren Motorleistungen die Anordnung von Doppelschrauben erzwangen. 1929 waren jedoch bereits 50 % der Weltneubautonnage Motorschiffe.

 

Tanker und Erzschiffe

1935 wurden 36 % der Tanker-Weltproduktion auf deutschen Werften gebaut. Die Größe und Tragfähigkeit der Tanker änderte sich wenig und blieb auf maximal 18.000 tdw beschränkt. Der  Motorantrieb setzte sich durch, bevorzugt wurde der Antrieb mit zwei Propellern bei Geschwindigkeiten von 11 - 14 Knoten.

 

Mit den Erzschiffen SVEALAND und AMERICALAND baute die Deutsche Werft 1925 in schwedischem Auftrag einen für den deutschen Schiffbau weitgehend neuen Schiffstyp, der in den USA um 1920 entwickelt und dort bereits mehrfach gebaut wurde. Die nach damaligen Maßstäben sehr großen Schiffe mit über 20.000 tdw sollten Erz von Chile nach Baltimore befördern, wobei minimale Zeiten für das Laden und Löschen gefordert wurden. Dem musste sich u. a. die Gestaltung der Laderäume anpassen. Es entstand das bis heute gültige Konzept des Erzschiffes mit den durch zwei Seitenlängsschotten und einen extrem hohen Innenboden begrenzten Laderäumen, in die keine störenden Versteifungen hineinragten. Seitentanks und Doppelboden sind schon damals bei einigen derartigen Schiffen für Öltransporte eingerichtet worden, sonst dienten sie ausschließlich für Ballast. Unter dieser Voraussetzung ergab sich nach den damaligen Regeln eine sehr niedrige Vermessung von etwa 8.200 BRT und 4.200 NRT.

 

Die deutsche Handelsflotte hatte

1915  297    Schiffe mit 234.000 BRT

    1934  4663 Schiffe mit 10.200.000 BRT

    1937  6763 Schiffe mit 13.750.000 BRT