Die Maritime Energiewende

(siehe Link Seite 4)

war ein wichtiges Thema bei der Auftaktkonferenz vom Nationalen Masterplan Maritime Technologie (NMMT) Ende Oktober in Berlin, das zukünftig besonders für Werften, Reedereien und Schiffsingenieure wichtiger werden wird.

 

Karl-Heinz Hochhaus

 

 

 

 

1. Einführung

 Die vier Themenblöcke Green Shipping, Smart Shipping, Sicherheit und Transport-Logistik bildeten den Schwerpunkt für die am 31.10. 2018  im  Berliner Wirtschaftsministerium durchgeführte Eröffnungsrede vom Maritimen Koordinator Norbert Brackmann (Abb. 1) zur Auftaktkonferenz. Die anschließenden Vortragsgruppen zur Maritimen Energiewende, zu autonomen Systemen und Verkehr und Rohstoffversorgung durch Tiefseebergbau wurden von Joachim Brodda moderiert.

 

 

 

 

 

 

Abbildung 1: Der Maritime Koordinator Norbert Brackmann eröffnet die Konferenz (Foto Dr. Hochhaus)

 

 

 Abbildung 2:  Daten zur deutschen Seeschifffahrt (Quelle VDR [1])

 

 

2. Hintergrund

 

Der Maritimen Koordinator soll in den deutschen maritimen Bereichen Schiffbau, Meerestechnik, Offshore-Windenergie, Seeschifffahrt und Häfen Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit koordinieren. Dazu dient u. a. die seit dem Jahr 2000 regelmäßig stattfindende Veranstaltung Nationale Maritime Konferenz (NMK) sowie die 2017 verabschiedete Maritime Agenda 2025. Der vom Bundeskabinett 2011 beschlossene Nationale Masterplan Maritime Technologien (NMMT) stellt das zentrales Steuerungsinstrument des Maritimen Koordinators dar.

 

2.1. Fortentwicklung des Nationalen Masterplans Maritime Technologien

 Die Bundesregierung wird den bisher ausschließlich für die Meerestechnik zuständigen NMMT für die gesamte maritime Industrie bestehend aus dem Schiffbau, die Zulieferindustrie, die Meerestechnik und die Offshore-Windindustrie ausweiten. Mit dem Masterplan sollen Technologien für bestehende und neu entstehende maritime Märkte untersucht und gezielt entwickelt werden. Wichtig ist dabei die Förderung nachhaltiger Lösungen für eine Energie- und Verkehrswende, die Nahrungsmittelversorgung und die Rohstoffgewinnung aus dem Meer unter Beachtung der Umwelt-, Natur- und Klimaschutzregeln. Im Bereich der maritimen Forschung und Entwicklung sollen die Aktivitäten eng mit dem NMMT verzahnt werden, um mit den verfügbaren Fördermitteln einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen.

 

 

 

 

2.2 Maritime Agenda 2025

 Neue Herausforderungen wie besonders der von der Bundesregierung im November 2016 beschlossene Klimaschutzplan 2050 führte 2017 zur „Maritimen Agenda 2025“. Darin wird die Maritime Energiewende in der Schifffahrt, den Häfen sowie der Offshore-Windenergie beschrieben.

 

                                                        Abbildung 3: Verteilung der kumulierten Leistung der Offshore      Windenergie am 1.1.2018 (Quelle Windguard)

 

Anfang 2017 gehörte die deutsche Seeschiffsflotte mit rund 2.300 Seeschiffen nach Griechenland, Japan und China zu den großen Handelsflotten (Abb. 2).  Etwa  330 Reedereien betreiben von Deutschland aus 305 Seeschiffe unter deutscher Flagge und 1.841 Schiffe befristet unter fremder Flagge [1]. Im Bereich der Containerschifffahrt war Deutschland 2017 nach Nationalität der Eigner international führend und verfügte  über rund 29 Prozent der weltweiten Containerstellplätze.

 

Über deutsche Seehäfen werden etwa 30 Millionen Passagiere pro Jahr befördert. Rund 200 Hafenunternehmen an mehr als 21 Standorten entlang der deutschen Küste fertigen jährlich mehr als 120.000 Schiffe ab und wickeln rund zwei Drittel des seewärtigen deutschen Außenhandels ab. Das sind  rund 300 Millionen Tonnen an Rohstoffen, Agrargütern, Fahrzeugen und Waren in Containern und Lkw/Trailern. [2]. Die Offshore-Wind­energie ist ein bedeutender schnell wachsender Wirtschaftsfaktor und spielt eine wichtige Rolle bei der Energiewende als Lieferant für CO2-freien Strom. In Deutschland wurden 2014 rund 5,4 Milliarden Euro in die Errichtung von Offshore-Windenergie­anlagen investiert und die Bruttobeschäftigung dieser Branche belief sich im glei­chen Jahr auf 18.700 Personen. Ende 2017 waren Offshore-Windenergieanlagen mit einer Kapazität von rund 5.400 Megawatt (MW) angeschlossen (Abb. 3), bis 2020 wird die installierte Gesamtleistung rund 7.000 MW betragen. Bis zum Jahr 2030 liegt das gesetzliche Aus­bauziel bei 15.000 MW [3].

 

Zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung werden künftig als E-Fuels bezeichnete alternative Kraftstoffe und CO2-neutrale Antriebssysteme in der Schifffahrt einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung und zur Reduktion von Treibhausgasen leisten, um die Ziele der UN-Klimakonferenz von Paris zu erreichen. Die von Deutschland im Klimaschutzplan 2050 vorgegebenen Ziele sind für die Bauwerften und Reedereien extrem anspruchsvoll. Die Entwicklung und Umsetzung der zukünftigen Treibhausgas armen und bis 2050 Treibhausgas neutralen Schiffsantriebe dient nicht nur der Umwelt sondern ist auch entscheidend für den Bestand und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen maritimen Industrie. Einige zur Energiewende von Werften, der Offshore-Windindustrie und Energieunternehmen durchgeführten Forschungs- und Untersuchungsergebnisse wurden vorgetragen und werden in dem folgenden Kapitel zusammengefasst.

 

                                     Abbildung 4: E-Kraftstoffe (Quelle FSG/Nagel/ISE Fraunhofer)

 

3. Maritime Energiewende

 

 Abbildung 5: Testversion einer  Brennstoffzelle  (Quelle Untiedt/ Meyer Werft)

 

 

Rolf  Nagel (FSG) beschrieb in dem ersten Vortrag kurz die Auswirkungen der Pariser Klima Vereinbarungen auf den Verkehr und die Schifffahrt mit Schwerpunkt CO2. Auf der 72. Sitzung des IMO Umweltausschusses (MEPC 72) wurde eine Strategie verabschiedet, die eine Dekarbonisierung der Schifffahrt bis Ende des Jahrhunderts anstrebt. Auf Grundlage aktueller Forschungsergebnisse hatte der VSM über seinen Dachverband CESA ambitionierter Zielvorschläge eingereicht. Als Brückenlösung wurde LNG gesehen, endgültige Lösungen sind aus regenerativer Energie gewonnener Wasserstoff und daraus synthetisierte CO2-neutrale Schiffskraftstoffe (Power-to-Liquid-Technologie PtL) wie z. B. E-Methanol. (Abb. 4). Über den Einsatz und Anwendung dieser Kraftstoffe  in der Schifffahrt wurden in den Forschungsvorhaben E-4Ships, JOULES und Metha-Ship entsprechende Untersuchungen durchgeführt.

 

 

Abbildung 6: Heutige und zukünftige Emission von Kreuzfahrtschiffen  (Quelle Untiedt/ Meyer Werft)

 

Abbildung 7: Die Zukunftsvision der Meyer Werft, dezentral angeordnete Brennstoffzellen, (Quelle Untiedt)

 

 Gerhard Untiedt von der Meyer Werft zeigte anschaulich die praktischen Auswirkungen und Energieinhalte von Schiffskraftstoffen und Akkus auf Raumbedarf und Aggregatzustand sowie Umwelt. Er machte deutlich, dass die CO2-Vorteile beim Übergangstreibstoff LNG bereits durch den Methanschlupf im Motor neutralisiert werden können. Für die maritime Erprobung der Brennstoffzellentechnologie wurde im Sommer 2016 auf der Ostsee-Fähre „Mariella“ in Ergänzung zur konventionellen Energieversorgung ein 90-kW-Brennstoffzellen-System installiert (Abb. 5).  Die zukünftige elektrische Energieversorgung der Antriebe und Schiffshilfsanlagen bei den Kreuzfahrtschiffen der Meyer Werft sollen zukünftig aus dezentral angeordneten  Brennstoffzellen erfolgen (Abb. 6). Deren  Wasserstoffversorgung wird über einen vorgeschalteten Reformer aus dem strombasierten CO2-neutralen Kraftstoff E-Methanol realisiert. Mit dieser Anordnung werden weder Schwefeldioxid, Russpartikel, Stickoxide noch CO2 von den zukünftigen Kreuzfahrtschiffen in die Atmosphäre abgegeben (Abb. 7).

 

 

Abbildung 8: Vision des Offshore Testfeldes vor Warnemünde (Quelle Thiele)

 

Der Bölkow-Schüler Joergen Thiele von der Stiftung Offshore Windenergie erläuterte anschließend ein geplantes Offshore Testfeld für die Windenergie vor Warnemünde. In diesem Testfeld mit einer Fläche von rund 13 qkm soll die Umwandlung von Windstrom in Wasserstoff (Power-to-Gas) in einem oder mehreren  Elektrolyseuren sowie die Speicherung direkt vor Ort erprobt werden (Abb. 8). Für das Testfeld hatte Mecklenburg-Vorpommern (MV) 2016 im Landesraumentwicklungsprogramm eine Fläche von 13 Quadratkilometern für zehn bis zwölf Windräder reserviert und stellt 16 Mio. Euro Förderung bereit. Das ausgewiesene Testfeld wurde MV von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag zugesagt und befindet sich in einer Küstenentfernung von etwa 10 km.

 

Thiele vertiefte seine Ausführungen und thematisierte eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft, die notwendig wird, um bis 2050 die Gewinnung der E-Kraftstoffe für den deutschen Schiffs- und Flugzeug-Verkehr aus nationalen regenerativen Stromquellen zu ermöglichen. Im Offshorebereich der Nord- und Ostsee sind installierte Leistungen bis rund 60 GW möglich, die bei Zugrundelegung der Anlagencharakteristiken jährlich eine Strommenge von etwa 240 TWh erbringen. Hintergrund sind Analysen der Energiewirtschaft, auch um im Zuge der Energiewende fossiles Gas durch erneuerbares zu ersetzen. Aus Grünstrom mit Elektrolyseuren zur Wasserstofferzeugung und in Methanisierungsanlagen  gewandelte synthetische Brenn- und Kraftstoffe (Power-to-Gas oder Power-to-Liquid) werden zum Erreichen der Klimaziele eine wichtige Rolle spielen. Entsprechende Offshore-Anlagen ohne Netzanschluss wären eine Möglichkeit, um die Wasserstoff-Produktion per Elektrolyse für die sogenannten  „Green Fuels“ in Deutschland weiter zu erhöhen.

 

 

Abbildung 9: Tennet plant mit dem Projekt „North Sea Wind Power Hub“  einen grundlegend neuen Ansatz für eine langfristige Offshore-Energiegewinnung und Speicherung. Diese neu zu errichtende „Energie-Insel“ auf der Doggerbank dient vornehmlich zur Wasserstofferzeugung- und speicherung (Quelle Meyerjürgens)

 

Tim Meyerjürgens (Tennet) geht in seinem Vortrag einen Schritt weiter. Die Problematik und Lösung der zukünftigen Energieversorgung, Speicherung  und -verteilung  wurde im Projekt „North Sea Wind Power Hub“ vorgestellt. Tennet plant damit einen grundlegend neuen Ansatz für eine langfristige Offshore-Energiegewinnung und Speicherung. Diese neu zu errichtende „Energie-Insel“ auf der Doggerbank (Abb. 9) soll zukünftig als zentrale Energiesammelstelle und Verteiler für Offshore-Windstrom sowie auch zur Netzstabilität und Systemflexibilität für die Nordseeanrainer dienen. Die geplante Insel befindet sich am nordöstlichen Ende der Dogger Bank außerhalb des Festlandsockels des Vereinigten Königreichs und nahe der Grenze zwischen den Hoheitsgewässern in einem relativ flachen Gebiet der Nordsee.

 


 

Abbildung 10: Von links  nach rechts: Gerhard Untiedt, Rolf  Nagel, Joergen Thiele und Tim Meyerjürgens (Foto Dr. Hochhaus)

 

Bei diesem Projekt arbeiten niederländische, deutsche und dänische Stromnetzbetreiber zusammen. Da die Doggerbank zu keinem staatlichen Hoheitsgebiet gehört, kann frei von einzelnen nationalen Befindlichkeiten ein gänzlich neues Regulierungsregime geschaffen werden. Schwierigkeiten bei der  Finanzierung der Energieinsel sollten nicht entstehen, weil fast alle Partner des Konsortiums, derzeit bestehend aus TenneT Deutschland, TenneT Niederlande, Energinet, Gasunie und der Hafen von Rotterdam in staatlicher Hand sind. Es wurde ein Potential bis rund 100.000 MW Windkraftleistung im Bereich der Dogger-Bank geschätzt, davon sollen etwa 70% direkt für den Stromsektor genutzt und von Stromrichter von Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt werden, der über Gleichstrom- Unterseekabel zum Festland geleitet wird. Der Rest soll in Wasserstoff oder synthetisches Methan umgewandelt werden und über Rohrleitungen in die bestehende Erdgasinfrastruktur mit den entsprechenden Pipelines und Speichern fließen. Die Energie-Insel soll folgende Funktionen erfüllen:

 
• Alternative zu großen Konverterplattformen im Meer
• Arbeits- und Wohninsel für Windparkentwickler und Wartung
• Stromsammler- und Verteiler

 • Wandlung von Strom in Gas (Wasserstoff, Methan)

 • Energiespeicher (Wasserstoff, Methan)

 

4. Zusammenfassung

 Der Maritime Koordinator Norbert Brackmann gab den Startschuss für den neuen Nationalen Masterplan Maritime Technologien (NMMT). Bisher ausschließlich für die Meerestechnik zuständig, soll das zukünftige Arbeitsgebiet vom NMMT auf die gesamte maritime Industrie bestehend aus dem Schiffbau, die Zulieferindustrie, die Meerestechnik und die Offshore-Windindustrie ausgeweitet werden. Ein wichtiger Inhalt der Veranstaltung war die Maritime Agenda 2025. Einige spannende zukunftsweisende Aspekte und Projekte wurden von engagierten Vortragenden vorgestellt (Abb. 10).

 

5. Literatur

 [1] N. N.: Daten und Fakten; Homepage vom Verband Deutscher Reeder

 [2] N. N.: Jahresbericht 2017/2018; Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe

 [3] N. N.: Windenergie Statistik 2017; Deutsche Windguard, Varel