Abbildung 1:  Die "Innovation", ein Errichterschiff der 3. Generation, lädt hier  in Bremerhaven am ABC-Terminal Tripods mit rund 900 t Gewicht (Foto Dr. Hochhaus).

Hohe durchschnittliche Windgeschwindigkeiten und große Windsicherheit machen Offshore-Standorte besonders attraktiv für die regenerative Stromerzeugung.  Aufgrund gesetzlicher Vorschriften, die deutsche Windanlagen nur in küstenfernen Standorten zulassen, ergeben sich hier 20 - 50 Meter Wassertiefe, die aufwendige Gründungen wie die hier dargestellten Dreibeinkonstruktionen (Tripods) benötigen. Die "Innovation", ein Errichterschiff der 3. Generation, lädt hier  in Bremerhaven am ABC-Terminal Tripods mit rund 900 t Gewicht (Foto Dr. Hochhaus).

Den folgenden Beitrag habe ich im Dezember 2012 in der Zeitschrift der Flensburger Schiffsingenieure veröffentlicht.


Errichterschiffe, ein neuer Schiffstyp für Offshore-Windparks im tiefen Wasser

Karl-Heinz Hochhaus

1. Einführung

Um das Jahr 2000 herum wurden in Deutschland, Dänemark und besonders in Großbritannien geeignete Standorte für landbasierte Windkraftanlagen knapp. In Dänemark und Großbritannien entstanden daher Offshore-Windparks dicht an der Küste. Deutschland folgte etwas später, aufgrund gesetzlicher Vorschriften, die nur küstenferne Offshore Windparks zulassen. Hohe durchschnittliche Windgeschwindigkeiten und große Windsicherheit machen Offshore-Standorte besonders attraktiv. Das führte dazu, dass die Offshore-Windenergie in Europa in eine beschleunigte Entwicklung übergegangen ist.

 

Was hat die Windenergie mit Schiffsingenieuren zu tun? Ganz einfach, seitdem die Windenergieanlagen (WEA) aufs Meer gegangen sind, werden für den Bau der deutschen küstenfernen WEA im 20-40 m tiefem Meer technisch anspruchsvolle Schiffe, sogenannte Offshore Windanlagen Errichterschiffe oder kurz Errichterschiffe, gebraucht. Von Schleppern gezogene Hubinseln wie beim küstennahen Aufbau in Dänemark und Großbritannien genügen nicht mehr und die komplexen technischen Anlagen auf den Errichterschiffen brauchen Schiffsingenieure. Außerdem wurde von der Windkraftbranche festgestellt, dass Schiffsingeneure neben der Systemkompetenz auch für den Betrieb der WEA und besonders der Trafo- und Konverterstationen hervorragend geeignet sind. Sie sind es gewohnt, Schiffe mit komplexen Systemen zum Antriebs- und Hilfsanlagen auf See mit eigenen Leuten ohne externe Hilfen zu betreiben. Wer weiß an Land schon, das Schiffsmaschinenanlagen das Abbild einer „fahrbaren“ Kleinstadt mit eigenem Antrieb, elektrischer Energieerzeugung, Trinkwassererzeugung und Abwasseraufbereitung sind. Der Brennstoff wird aus teerähnlichen Abfallstoffen von Raffinerien aufbereitet und mit 140 °C in haushohe Dieselmotoren eingespritzt, deren Wirkungsgrad rund 50 % beträgt.

 

Deutsche Offshore-Windparks

Offshore-Windenergieanlagen in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) werden nur außerhalb der Sichtweite genehmigt. Die hier vorherrschenden Wassertiefen von 20 – 40 m erfordern zum sicheren Stand der WEA statt einfacher Pfahlgründungen (bis 20 m) aufwendige aus stählerne Dreibeinen (Tripods) oder Fachwerkkontruktionen (Jackets) ausgeführte Fundamente mit bis zu 900 t Gewicht. Hinter den anspruchsvollen Gründungen der deutschen Offshore-Windparks steht daher Pionierarbeit. Dänemark und Großbritannien werden folgen, wenn in einigen Jahren ihre küstennahen Standorte belegt sind. Rund 220 Megawatt (MW) Offshore-Windleistung waren Ende November 2012 in Deutschland am Netz. 25.000 MW sollen es nach den heutigen Plänen der deutschen Regierung bis zum Jahr 2030 sein. Bei der Genehmigungsbehörde Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydografie (BSH) befanden sich im November 2012 WEA mit einer Gesamtleistung von etwa 1.600 MW im Bau, genehmigt sind rund 10.000 MW. Weitere 94 Windparks mit rd. 6.600 WEA und einer Gesamtleistung von etwa 30.000 MW befinden sich in der Genehmigungsphase.

 

2. Offshore-Windenergie

Die deutschen Offshore-Windenergie besteht aus Windparks mit 40 bis 120 Windkraftanlagen (WKA), dem internen Kabelnetz im Windpark (33.000 V), einer Trafostation zur Spannungserhöhung auf 150.000 V und der Hochspannungs-Gleichstrom Übertragung (HGÜ) an Land. Die HGÜ ist sehr aufwendig, verringert jedoch die Übertragungsverluste der Kabel durchs Wasser erheblich. Die HGÜ besteht aus einer im Meer aufgebauten Konverterstationen zur Transformation und Wandlung des Wechselstrom in Gleichstrom (Abb. 2), dem Hochspannungs-Gleichstromkabel und einer Konverterstation an Land. Letztere wandelt den Strom in Wechselspannung zurück und sorgt für die Einspeisung in das Landnetz. Im Offshorebereich ist diese Technologie der HGÜ Neuland und weltweit verfügen nur 3 Firmen (Siemens, ABB, Alsthom) über diese anspruchsvolle Technologie. Aktuell sind der Großteil der Werften in Mecklenburg Vorpommern auf mehrere Jahre mit dem Bau dieser Offshore HGÜ Plattformen ausgelastet. Die Graphik in Abb. 3 stellt die derzeit genehmigten Windparks mit den Trafo- und Konverterplattformen im Meer, den HGÜ-Kabel an Land und die landseitigen HGÜ-Stationen schematisch dar.

 

Der Aufwand zur Planung und zum Aufbau der Offshore Windkraftenergie als Gesamtsystem ist sehr viel komplexer und aufwendiger als die bisherigen Anlagen an Land. Dieser Aspekt wurde nach dem Beschluss zum zweiten Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Atomkraftwerke von allen Beteiligten, auch von den EVUs und der Politik der Länder und des Bundes, unterschätzt. Daher fehlt jetzt die Infrastruktur, um den Strom an Land zu bringen und hier im Höchstspannungsnetz zu verteilen. Für die Verbraucher hat dies den Nachteil, dass sie die nächsten Jahre auch für Strom bezahlen müssen, den die WEAs nicht erzeugen dürfen, weil die HGÜ-Netzverbindung an Land fehlt. Die Windparkbetreiber erhalten für Anlagen, die bis 2015 ans Netz gehen, eine Einspeisevergütung von 15 Cent/kWh für die ersten 12 Jahre und 3,5 Cent/kWh für die letzten 8 Jahre. Der Netzanschluss wird vom Übertragungsnetzbetreiber bezahlt und über die Netznutzungsentgelte finanziert.

 

 

3. Errichterschiffe

Ein Errichterschiff wird von vielen Fachleuten auch als Installationsschiff bezeichnet. Es ist im Gegensatz zur Hubinsel ein spezielles, für die Gründung und den Aufbau von Offshore-Windenergieanlagen entwickeltes, Arbeits- und Transportschiff mit Schwerlastkran. Es besitzt außerdem Hubvorrichtungen, um sich mit vier (seltener mit 6) Hubbeinen auf dem Meeresgrund aufzustellen, damit der Kran unabhängig vom Seegang arbeiten kann. Das Errichterschiff verfügt für den Vortrieb und die dynamische Positionierung über geeignete starken Dieselgeneratoren- und Propulsionsanlagen. Es sind überwiegend dieselelektrisch angetriebene Schiffe.

Hubinseln (Abb. 5) sind aus dem Hafenbau und aus der Offshore Öl- und Gasförderung bekannt. Sie sind mit Hubbeinen und Kraneinrichtungen ausgestattet. Sie haben Einrichtungen für die dynamische Positionierung, selten jedoch einen eigenen starken Vortrieb, da der Ortswechsel häufig mit Schleppschiffen erfolgt. Die Offshore-Windenergie hat sich beginnend in Dänemark im flachen Wasser entwickelt und führte zum Einsatz von Hubinseln (1. Generation) und bei größeren Wassertiefen und Entfernungen zur Küste vereinzelt mit dem Umbau von Frachtern zu ersten Errichterschiffen (2. Generation) mit eigenem Vortrieb mit 8 – 15 Knoten (Abb. 6). Diese Schiffe waren besser geeignet als die Hubinseln, aber als Umbauten mit 150 – 400 t Krane nur als Kompromiss anzusehen. Mit den Erfahrungen der „Umbauten“ entstanden vorwiegend für den deutschen Offshore Markt Errichterschiffe der 3. Generation für große Wassertiefen. Sie sind mit großen Decksflächen, Kränen bis 1500 t Tragkraft und Schiffsgeschwindigkeiten von 10 bis 15 kn ausgestattet (s. a. Tabelle 1).

Diese Spezialschiffe haben sich inzwischen zu einem eigenen Schiffstyp entwickelt, denn sie lassen sich nicht mehr als Hubinseln bezeichnen. Sie sind aufgrund der Hubbeine anderereseits auch keine Schwergutschiffe. Neue Errichterschiffe der 3. Generation entstehen in Südkorea, Abu Dhabi, Indonesien, China oder in Polen (Abb. 1). Deutschland hat bisher keine Errichterschiffe gebaut, auf der Sietas-Werft war am 3. April 2012 Baustart des Wind-Errichterschiffes "Aeolus" [1] für das niederländische Wasserbauunternehmen van Oord.

Name

Typ

Bau-
jahr/
Um-bau

Ree-
derei

Eigner

Werft

Ver-
mess-
sung

GT
tdw

An-
zahl
x
Bein-
länge

m

Kran
Aus-lage

t
m

Länge
Breite
Decks-
fläche

m
qm

Antriebs-
Leistung
Ge-schwin-
digkeit
kW
kn

Wellen/
Diesel-
Gene-
ratoren

ZahlxkW

Bemer-
kun-gen

Sea
Energy

Errich-
ter-
schiff

1991/
2001

A2SEA

Oerskovs
Staalskiba-
vaerft

3420
2200

4x32

110/
20

91,8
21,6
1020

2x1200
14

WG 2x940
DG 1x175

Umbau
2 Schiffe

Sea
Jack

Hub-
insel

2003

A2SEA

Rave-
stein BV

NL

6560
3625

4x40

210

91,2
33
2500

 

DG 2x350
DG 1x125

8x400
Jacking
Diesel

Odin

Hub-
insel

2004
2009

Streif
baulo-
gistik

VLD
AB
Klaipeda

2260
1015

4x60

300
15

46
30

 

DG 1x350
DG 1x150

4x355
Jacking
Diesel

Sea
Worker

Hub-
insel

2008

A2SEA

P.T.Nanind.
Mutiara Shipy.
Batam

3780
1815

4x73

400

55,5
33
750

 

DG 2x275
DG 1x150

2x610
Jacking
Diesel

Sea
Instal-ler

Errich-
ter-
schiff

2012

A2SEA

COSCO,
China

19500
20000

4x83

800/
24

132
39
3350

3x3800
12

DG
6x3000

Mittel-
span-nung
6600 V

Inno-
vation

Errich-
ter-
schiff

2012

HGO
InfraSea

Crist
Werft
Polen

21900
11000

4x90

1500
31,5

147,5
42

3400

4x3500
3x2800
12

DG
6x4.500

Mittel-
span-nung
6600 V

Victoria
Mathi-
as

Errich-
ter-
schiff

2012

RWE

Daewoo
Korea

11730
6315

4x78

1000
25

100
40
1850

4x1100
7,5

DG
4x1500

6600 V
2 Schiffe

Tabelle 1: Beispiele für Errichterschiffe der 1. (Hubinseln) 2. und 3. Generation

 

4. Offshore Wind Reederei A2SEA

A2SEA wurde 2000 in Dänemark gegründet und hat sich als erste Reederei in der Offshore-Windenergie engagiert und verfügt daher über eine langjährige Erfahrung. Mit fünf Hubinsel/Errichterschiffen ist sie die führende Reederei in diesem Segment. 2009 wurde A2SEA zu 100% von DONG Energy (DK) übernommen und im November 2010 hat sich Siemens Wind Power mit 49% beteiligt. DONG Energy ist einer der führenden Energiekonzerne in Nordeuropa. Siemens zählt heute zu den weltweit führende Anbietern von Offshore Windenergieanlagen, der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung und der internen und externen Stromübertragung.

 

4. „Innovation“, ein Errichterschiff mit Heimathafen Bremen [2, 3]

Die am 3. September in Bremerhaven getaufte „Innovation“ (Abb. 1) gilt mit 147,5 m Länge, 42 m Breite und 1.500 t Tragkraft des Krans als eines der bisher größten und leistungsstärksten Errichterschiffe der 3. Generation. Ursprünglich von der Kooperation „Beluga Hochtief Offshore“ (BHO) 2010 bei der polnischen Crist in Auftrag gegeben, wird es jetzt von dem Joint Venture Hochtief und GeoSea (Belgien) unter dem Namen „HGO Infra Sea Solutions“ gebildet. Die „Innovation“ soll die Industriealisierung des Offshore Wind Installationsmarktes vorantreiben [4].

 

Sie ist ein Prototyp mit vielen technischen Herausforderungen, der Bau erfolgte als Neubau Nr. 142 in rund zwei Jahren Bauzeit auf der Crist-Werft in Gdynia, Polen. Ein Großteil der technischen Ausrüstung wie auch die Dieselmotoren, Generatoren, Mittelspannungsanlage, dynamische Positionierung nach DP2 mit den vier Ruderpropeller und drei Querstrahlern im Bug (s. Abb. 4) sowie der riesige Schwerlastkran kamen aus Deutschland. DP2 bedeutet, dass eine Redundanz aller aktiven Antriebskomponenten gewährleistet ist. Mit einer Tragfähigkeit von 11.000 tdw bei der Vermessung von 21.900 BRZ hat die „Innovation“ (Abb. 1) Einrichtungen für 100 Personen und ist für die Erweiterung auf 180 Personen vorbereitet. Sie erreicht eine Geschwindigkeit von 12 Knoten und kann in Wassertiefen bis zu 65 Meter arbeiten. Sie verfügt über eine Deckfläche von 3.400 Quadratmetern und hat eine Ladekapazität von rund 8.000 Tonnen.

 

5. Ausblick

Von 1990 bis heute, also in rund 20 Jahren wurden in Deutschland an Land fast 30.000 MW Windkraftleistung installiert. Das ursprüngliche Ziel der Politik, in der deutsche AWZ bis 2020 Offshore Windparks mit 10.000 MW Nennleistung zu erreichen, ist aufgrund fehlender HGÜ-Plattformen und Netze sehr ambitioniert. Auch um Europas Ziel zum Ausbau der Offshore-Windenergie auf rund 45 Gigawatt bis 2020 zu realisieren, bedarf es großer Anstrengungen. Im Jahr 2011 wurde in Europa pro Tag die durchschnittliche Neubauleistung von rund 2,6 Megawatt erreicht. Notwendig ist jedoch eine tägliche mittlere Leistung von rund 12,5 Megawatt, also fast der fünffache Wert.

 

6. Literatur:

[1] Wehrmann, A.-K.: „Innovation“ erreicht Bremerhaven und nimmt Arbeit auf; Hansa 9/2012

[2] Hochhaus, K.-H.: Offshore-Windanlagen-Errichterschiff „Innovation“ ; Hansa 12/2012

[3]Voigt, K.: Sietas Typ 187 - Enstehung eines innovativen Schiffes für die Offshore-Windindustrie, Vortrag zur STG Hauptversammlung 2012

[4]Heymann, C.: Erste Schritte Richtung Industriealisierung des Offshore Wind Installationsmarktes, Vortrag zur STG Hauptversammlung 2012

 

Abbildung 2: Eine Siemens-HGÜ Plattform im Bau, sie wurde gerade aus dem Baudock ausgeschwommen (Quelle Nordic Yards)
Abbildung 2: Eine Siemens-HGÜ Plattform im Bau, sie wurde gerade aus dem Baudock ausgeschwommen (Quelle Nordic Yards)
Abbildung 3: Schematische Darstellung der genehmigten Offshore Windparks in der deutschen AWZ mit der jeweils zugeordneten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, den HGÜ-Plattformen  und den HGÜ-Landstationen Diele, Dörpen und Büttel (Grafik Dirk Hochhaus
Abbildung 3: Schematische Darstellung der genehmigten Offshore Windparks in der deutschen AWZ mit der jeweils zugeordneten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, den HGÜ-Plattformen und den HGÜ-Landstationen Diele, Dörpen und Büttel (Grafik Dirk Hochhaus
Abbildung 4: Das Errichterschiff "Innovation" 1 Stunde vor der Taufe vor dem ABC-Terminal in Bremerhaven aufgejackt. Gut sichtbar sind die  3 Bugstrahler, die zum dynamischen Positionieren dienen (Foto Dr. Hochhaus)
Abbildung 4: Das Errichterschiff "Innovation" 1 Stunde vor der Taufe vor dem ABC-Terminal in Bremerhaven aufgejackt. Gut sichtbar sind die 3 Bugstrahler, die zum dynamischen Positionieren dienen (Foto Dr. Hochhaus)
Abbildung 5: Hubinsel Odin, 1. Generation (Foto Dr. Hochhaus)
Abbildung 5: Hubinsel Odin, 1. Generation (Foto Dr. Hochhaus)
Abbildung 6: Die Sea Energy von A2SEA zählt zur 2. Generation der Errichterschiffe  (Quelle Siemens)
Abbildung 6: Die Sea Energy von A2SEA zählt zur 2. Generation der Errichterschiffe (Quelle Siemens)
Abbildung 7: Tripods im Offshore Terminal (ABC-Terminal) in Bremerhaven (Foto Dr. Hochhaus)
Abbildung 7: Tripods im Offshore Terminal (ABC-Terminal) in Bremerhaven (Foto Dr. Hochhaus)