Schnelldampfer DEUTSCHLAND
„Der von der Stettiner Maschinenbau Actien Ges. Vulcan am 25. Juni 1900 abgelieferte Schnelldampfer DEUTSCHLAND der Hamburg-Amerika Linie, gehört zweifellos zu den herausragenden Schiffen der
deutschen Handelsflotte: Vom Schiffbau und Technik her gesehen, von seiner Einbettung in die Politik der seinerzeit größten Reederei der Welt und als Markstein der nationalen und internationalen
Schiffahrtsentwicklung.“
Das schreibt der Schifffahrtsautor Hans Jürgen Witthöft in seinenm Buch „Nordatlantikrenner“ über die DEUTSCHLAND, die im Gründungsjahr der STG geplant und konstruiert wurde
Rekord schon auf der Jungfernreise
Gerade als das Schiff dann fertig war, gab es schon den nächsten Ärger. Als die DEUTSCHLAND die Stätte ihres Werdens verließ, geriet sie trotz der Assistenz von sieben Schleppern auf der
Norderbank auf Grund und saß bombenfest - wie übrigens vorher KAISER WILHELM DER GROSSE auch schon. Das Bergungsschiff SEEADLER und zwei kräftige Marinefahrzeuge wurden entsandt, um dem
stolzen Schiff, dessen erste Seefahrt nach so kurzer Zeit schon so betrüblich endete, zu helfen. Zunächst vergebens.
Vierzehn Tage mühten sich diese drei Schiffe zusammen mit den sieben Schleppern ab, um den festsetzenden Schnelldampferriesen wieder flott zu bekommen, dann erst gab die Norderbank ihre Beute
wieder frei. Doch nun mußte das neue Schiff erst einmal wieder genauestens untersucht werden, ob es durch den unfreiwilligen Aufenthalt oder durch die vielfältige Zieherei und Zerrerei der
Bergungsfahrzeuge und Schlepper Schaden genommen hatte. Glücklicher-weise war dies nicht der Fall. In den Kontoren der Reederei und in der weitverzweigten Passageorganisation, vor
allem auch in den Vereinigten Staaten, konnte man aufatmen. Am 25. Juni 1900 erfolgte die endgültige Ablieferung, das geplante und schon vielfach ausgedruckte jungfernreisedatum 5.
Juli 1900 konnte eingehalten werden.
Trotz dieser anfänglichen Mißgeschicke, war man bei der Hamburg-Amerika Linie aber doch voller Stolz, als man dieses mächtige und dabei doch so ungemein schnittig wirkende Schiff einer
bewundernden Öffentlichkeit präsentieren und die ersten Reisenden an Bord in Empfang nehmen konnte. Es muß schon ein imposanter Anblick gewesen sein, der auch sicherlich heute noch
beeindruckend sein würde, als der mächtige Vierschornsteiner am 5. Juli 1900 um 14.25 Uhr in seinem Heimathafen Hamburg die Leinen loswarf und mächtig qualmend, zunächst unter Schlepperassistenz,
in den Strom drehte und Fahrt aufnahm.
Laut Logbuch betrug der Tiefgang bei der Abfahrt vorn 29'3" und achtern 30'. An Bord befanden sich 623 t Ballastwasser, 3 75 t Frischwasser, 4 897 t Kohlen und 15 t Ladung. Vor dem
sacht elbabwärts gleitenden Schiff lag als nächster Hafen Cherbourg, der kurz nach Mitternacht des 6. Juli nach 460 sm Fahrt von 22 Stunden und 20 Minuten Dauer erreicht wurde. In den
frühen Morgenstunden passierte die DEUTSCHLAND den heirnkehrenden Companie-Dampfer Bosnia, der das stolz an ihm vorüberziehende neue Flaggschiff mit den üblichen Zeremonien begrüßte.
Nach kurzem Aufenthalt in Cherbourg, wo weitere Passagiere an Bord kamen, ging es weiter nach Plymouth als letztem europäischem Hafen. Auch hier, wie schon in dem französischen Hafen,
herzliche Begrüßung, Passagiere an Bord, zwei Stunden Aufenthalt, Abschied und Leinen los. Der Nordatlantik lag vor dem scharfen Bug der DEUTSCHLAND. Die Rennstrecke präsentierte
sich. Gespannte Erwartung vielerorts.
Würde das neue Schiff sich bewähren, hatte sich die Investition gelohnt? Am gespanntesten war man natürlich an Bord selbst, bei der Besatzung mit Kommodore A. Albers an der Spitze.
Aber auch die Passagiere waren davon erfaßt, zitterten mit und das lag nicht an der vermaledeiten Vibration, sondern schlechtweg an den Nerven. Schaffte das Schiff eine Rekordreise, dann
konnte man doch später allen Freunden und Bekannten berichten, daß man dabei gewesen sei und das war doch sicherlich mindestens ein Triumph.
Man versetze sich auf einen Pferderennplatz und rufe sich in Erinnerung, wie lang die paar Minuten eines Rennens werden können, selbst wenn man nicht gesetzt hat, sondern nur mit dem Herzen bei
Pferd und Reiter ist.
Hier an Bord, mit dem Schiff, ging es ja auch um ein Rennen, nur hier dauerte dies alles ungemein länger. Hier reihten sich Stunden und Tage, hier rauschte das Schiff mit vermeintlich stets
gleichbleibender Geschwindigkeit Seemeile um Seemeile durch die See. Nur die Männer auf der Brücke hatten andere Eindrücke. Sie beobachteten Wind und Wetter, schätzten den Strom ein
und kamen zu immer unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich Durchschnittsgeschwindigkeit und Etmal. Die Summe mußte es bringen. Wenn man doch nur ein wenig schieben könnte.
Dabei meinte es der Wettergott schon günstig. Während der ganzen überreise wurden fortdauernde, mäßige Winde aus Nordwest bis Südwest angetroffen.
Und die DEUTSCHLAND schaffte es
Nach einer Fahrtdauer von 5 Tagen, 15 Stunden und 46 Minuten waren die 3 044 Seemeilen von Eddystone Leuchtturm bis Sandy Hook durchlaufen. Am 12. Juli um 10.55 Uhr machte der stolze
Hapag-Vierschornsteiner am Pier in New York/Hoboken fest. Mit 22,42 Knoten errechnete sich die Durchschnittsgeschwindigkeit. KAISER WILHELM DER GROSSE, und damit der Norddeutsche
Lloyd, waren geschlagen. Der Rekord gehörte der DEUTSCHLAND, der Hapag. Der Jubel war verständlicherweise groß, an Bord, zu Hause in Hamburg und überall dort, wo man das Rennen
verfolgt hatte und mit seinen Sympathien auf der Seite des Neubaus war. Es hatte auf Anhieb geklappt, eine Bilderbuchfahrt.
Und dann die Rückreise. Sie wurde am 18. Juli um 11.35 Uhr angetreten und führte mit 3085 sm Gesamtdistanz über einen geringfügig längeren Kurs. Die Reisedauer bis Plymouth als
erstem europäischen Hafen betrug nur 5 Tage, 14 Stunden und 6 Minuten, es konnte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von sogar 23 Knoten ereicht werden. Damit war der eigene Rekord, wenige
Tage alt, schon wieder gebrochen.
Allerdings, und das soll das Ganze keineswegs schmälern, sondern soll nur quasi der guten Ordnung halber erwähnt werden, war der ostgehende heimkehrende Kurs infolge der herrschenden
Stromverhältnisse stets günstiger als der westgehende. Nicht ernst zu nehmende scharfe Zungen meinen, daß die Heimatumdrehungen der Maschine ein übriges taten auf dieser Strecke.
In Plymouth wurden 100 Passagiere und die englische Post ausgeschifft, dann ging es nach Cherbourg und von dort aus nahm man endlich Kurs auf Hamburg. Auf dieser letzten 460 sm langen Teilstrecke
konnte sogar eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,12 Knoten errechnet werden. Aber das zählte natürlich nicht. Der Atlantik mußte es sein. Die maximale Geschwindigkeit mußte
über lange Distanzen durchgehalten werden. Das war das Entscheidende. In seinem Heimathaf en wurde dem Rekordschiff ein begeisterter Empfang zuteil.
Technische Daten zum Schnelldampfer DEUTSCHLAND
Reederei: Hamburg-Amerika-Linie - HAPAG
Schiffstyp: Doppelschrauben-Schnelldampfer
Schornsteine: 4, Masten 2, Schiff sschrauben 2, Flügel 4
Bauwerft: Stettiner Maschinenbau-Actien-Ges. Vulcan
Baunummer: 244
Stapellauf: 10. Januar 1900
Ablieferung: 25.Juni1900
jungfemreise- 5. Juli 1900
Größe: 16 502 BRT/5 196 NRT
Verdrängung: 23 200 t
Tragfähigkeit. 5 840 t
Länge ü. A.: 208,5 m
Länge Lpp: 201,47 m
Breite: 20,42 in
Tief gang: 8,84 in
Decks: 6
Wasserdichte Schotten: 15
Besatzung: 543
davon Maschinenpers.: ca. 250
Bedienung: ca. 150
Passagiere: 693 I. Klasse
Passagiere: 302 II. Klasse
Passagiere: 288 111. Klasse
Zwischendeck: 1.000 Plätze
Maschine: 2 Sätze, 4 Zylinder, Vierfache Expansions- Dampfmaschine
PS: total etwa 37 800, indizierte PS 33 000 bis 34000
Kessel: 12 Doppel-Ender, 4-Ein-Ender mit insgesamt 112 Feuerungen
Helzfläche: 7940 qrn
Geschwindigkeit: 22,5 kn und max. 23,51 kn
Bunkerraum: 4 850 t
täglicher Kohlenverbrauch: ca. 500 - 600 t täglich
Baukosten: 12.500.000 Mark
Blaue Band-Fahrt:
1900 Sandy Hook - Plymouth: 5 Tage - 7 Stunden - 38 Minuten
Durchschnittswert: 23,36 kn, 1901 verbessert auf 23,51 kn